Hilfe für Massarankissidou

Reise nach Guinea: Unser Besuch in Massarankissidou

Reise nach Massarankissidou in Guinea

Wir haben das Dorf Massarankissidou persönlich besucht. Mehr zu unseren Eindrücken und unseren Aktivitäten vor Ort lesen Sie in diesem Reisebericht.

Im Dezember 2018 haben sich einige unserer Mitglieder aus Deutschland und Guinea gemeinsam aufgemacht, um das Dorf Massarankissidou zu besuchen. Die Gründe dafür waren vielschichtig: Zum einen war es ein Herzenswunsch endlich Angehörige und Freunde wiederzusehen. Zum anderen wollten wir die aktuelle Situation der Lebensbedingungen im Dorf in Erfahrung bringen.

Für die meisten Mitreisenden aus Deutschland bestand zudem der Anreiz in der Reise darin, das Leben in einem abgelegenen guineischen Dorf einmal selbst und hautnah zu erleben – und zwar nicht aus der Perspektive eines Touristen, sondern als Gast im Alltag der Menschen. Nicht zuletzt fand die Reise nach Massarankissidou in Guinea im Rahmen unseres Enwicklungsprojekts „Wasser für Massarankissidou“ statt.

Der beschwerliche Weg nach Massarankissidou

Das große Problem an einem Besuch von Massarankissidou ist, überhaupt zum Dorf zu gelangen. Denn die wenigen, von Schlaglöchern zerklüfteten Straßen Guineas machen eine Reise aus der Hauptstadt Conakry nach Massarankissidou sehr umständlich und anstrengend.

Juciel Guinea

Nach einer zweitägigen Autofahrt erreichten wir unseren Zwischenstopp in Macenta. Ab hier hieß es „rien ne vas plus“ für unseren Reisebus, denn von Macenta bis Massarankissidou fahren keine Autos mehr. Die Straßen zu den umliegenden Dörfern sind in einem so katastrophalen Zustand, dass sie lediglich mit Motorrädern zu bewältigen sind. Diese abgenutzten Routen, über die ein Moped mehr rutscht als fährt, sind von der Regenzeit ausgewaschen und abwechselnd spiegelglatt und schroff.

Straßen in Massarankissidou
Eine Brücke auf dem Weg nach Massarankissidou

Auf der recht abenteuerlichen Fahrt mit mehreren, zum Glück nur leichten Unfällen sowie einer ausgefallenen Maschine wurde deutlich: Es ist allein schon ein logistisches Problem, Menschen in Dörfern wie Massarankissidou zu helfen. Autos fahren nicht, sperrige Hilfsgüter lassen sich nicht mit dem Moped transportieren und um die 60 Kilometer aus der nächsten Stadt zu Fuß zu gehen ist auch nicht realistisch. Aus diesem Grund werden oft die Flüsse genutzt, um Güter zu transportieren. Unser Gründungsmitglied Allassane Camara hat beispielsweise schon mit aller Kraft und einem Geländewagen Matratzen über die Flüsse nach Massarankissidou gebracht.

Die Ankunft im Dorf

Ansicht Massarankissidou

Nach einer kräftezehrenden, vierstündigen Motorradfahrt erreichten wir endlich das Dorf und wurden dort feierlich begrüßt: Die Dorfgemeinschaft hatte zwei Trommler engagiert und hieß unsere erschöpfte Reisegruppe mit Gesang und Tanz willkommen.

Die Ankunft im Dorf

Nach einem derart strapaziösen Reiseweg so warmherzig und fröhlich begrüßt zu werden, bekräftigte unseren Wunsch, die Menschen in Massarankissidou zu unterstützen, nur um so mehr.

Zu Gast in Massarankissidou

Der herzlichen Begrüßung folgend, bezogen wir unsere Unterkunft. Unserer Reisegruppe wurde das Haus des Bürgermeisters Bangali Camara zur Verfügung gestellt – er begleitete uns bereits aus Macenta bis zum Dorf. Die Räumlichkeiten, in denen wir lebten, spiegeln die sehr ärmlichen Verhältnisse in Massarankissidou wider. Bangali Camara lebt nicht alleine in dem Haus. Normalerweise teilen sich mehrere Familien die fünf Zimmer des Gebäudes.

Das Haus des Bürgermeisters
Unsere Unterkunft in Massarankissidou
Die sanitäre Situation

Wasser zum Duschen und für die Toilette stand in einem Eimer bereit. Und wem klar ist, dass Kinder dieses Wasser gerade vom Fluss bis ins Dorf schleppen mussten, der geht mit jedem Tropfen respektvoll und sorgsam um. Ein kleines Solarpaneel auf dem Dach versorgte eine Glühlampe mit Strom. Sie gab uns etwas Licht in den Abendstunden.

Im Kreis der Dorfgemeinschaft

In der Zwischenzeit versammelte der Bürgermeister hochrangige Männer aus dem Dorf und wir setzten uns gemeinsam in einem Kreis zusammen. Dabei waren Bekannte aus anderen Dörfern zugegen, die sich persönlich davon überzeugen wollten, ob wirklich Freunde aus Conakry und sogar Europäer nach Massarankissidou gekommen sind.

Der Rat des Dorfes in Massarankissidou

Für uns wurde gebetet und als Zeichen des Respekts, wurde uns ein Hemd des Gründungsvaters Massarankissidous überreicht. Die Dorfbewohner machten deutlich: Dass wir eine so beschwerliche Reise auf uns nehmen, nur um Massarankissidou zu besuchen, wissen sie zutiefst zu schätzen. Zudem ist das Dorf unendlich dankbar dafür, dass wir uns für eine bessere Trinkwasserversorgung einsetzen wollen. Der Bürgermeister ergänzte: „Wir sind arm, ihr seid reich und wir können euch nicht viel bieten. Dennoch verfügen auch wir über wertvollen Besitz, den uns unser Land schenkt und den wir mit euch teilen möchten.“ Zur Feier des Tages wurde eine Kuh geschlachtet, die in Anbetracht des Wertes, den so ein Tier für die Dorfgemeinschaft darstellt, ein beachtliches Geschenk ist.

Die Gesten der Dorfbewohner zeigen: In Massarankissidou leben Menschen, die sich viele Gedanken um Respekt und Gastfreundschaft machen. Die Gemeinschaft weiß zudem genau, unter welchen kargen Bedingungen sie lebt. Und trotzdem begegneten uns die Menschen in Massarankissidou mit Stolz in Bezug auf ihre Lebensweise und ihre kulturellen Wurzeln. Das fanden wir bemerkenswert.

Wir begleiten die Kinder zum Fluss

Recht zügig haben wir uns dann an unsere Arbeit gemacht. Zuerst stand ein Besuch der Wasserstelle auf dem Programm. Wir konnten einige Kinder dafür gewinnen, gemeinsam mit uns Wasserholen zu gehen.

Wasserholen in Massarankissidou

Den Weg zum Fluss haben wir zu Dokumentationszwecken gefilmt und mittels GPS-Sensor ausgemessen. Das daraus entstandene Video können Sie sich hier anschauen. Insbesondere einige deutsche Mitreisende, die zum ersten Mal Massarankissidou besuchten, waren von der Trinkwasserversorgung schockiert. Der in der Vorstellung reißende Fluss gleich neben dem Dorf entpuppte sich als weit entfernter, nur knöcheltiefer Bach, in dem die Kinder mühevoll ihre Kanister füllten.

Die Wasserquelle der Dorfbewohner

Am Fluss haben wir Proben entnommen und Wasseranalysen durchgeführt. Die dafür nötige Ausrüstung wurde uns freundlicherweise von der Regionalgruppe Bremen der Ingenieure ohne Grenzen zur Verfügung gestellt – dies in Vorbereitung auf eine mögliche Kooperation in puncto Wasserprojekt.

Wir nehmen Wasserproben
Proben von der Wasserquelle

Im Dorf folgten dann bakterielle Untersuchungen der Wasserproben.

Bakterielle Untersuchungen im Dorf

Die Analysen sind nötig, um die Voraussetzungen für den Bau eines Brunnens zu klären. Denn wenn das Wasser zu stark belastet ist, ist es für den Aufbau einer guten Trinkwasserversorgung nicht geeignet. Eine Alternative, die auch dann infrage kommt, wenn eine Brunnenbohrung zu umständlich ist, wäre ein Zisternen-System. Für dieses haben wir die Hausdächer ausgemessen und die wahrscheinlich erste Karte von Massarankissidou erstellt – in der Hitze und dem tropischen Klima ein sehr mühseliges Unterfangen.

Wir vermessen die Hausdächer.

Wirklich berührend war die Offenheit und Freundlichkeit, die uns die Dorfbewohner während unserer Arbeit entgegenbrachten. Aus jedem Hauseingang lächelten uns strahlende Gesichter entgegen und Männer und Frauen riefen uns mit gefalteten Händen „Merci, merci beaucoup!“ zu. Auch dadurch wurde noch einmal deutlich, wie sehr sich die Menschen in Massarankissidou eine gesicherte Trinkwasserversorgung wünschen, die sie mit ihren eigenen Mitteln nicht finanzieren können.

Dofbewohner in Massarankissidou

Gespräche mit den Menschen vor Ort

Nach der Rückkehr von der Wasserstelle haben wir ebenso mit den Kindern und einigen Dorfbewohnern über die aktuellen Lebensumstände gesprochen. Dabei kamen erschütternde Punkte ans Licht.

Ein großes Problem im Dorf ist nach wie vor Malaria. An der durch Moskitos übertragenen Krankheit sterben allein in Massarankissidou etwa zehn Kinder im Jahr. Wir hatten ausgedruckte Fotos von einem früheren Besuch dabei und bei den Abbildungen einiger Kinder wurden die Dorfbewohner schlagartig sehr ruhig und traurig – der Grund dafür ist klar. Viele Kinder und auch ältere Menschen leiden an den Symptomen der Malaria. Dazu gehören Durchfall, Erbrechen und Fieberkrämpfe. Dies mussten wir am eigenen Leib erfahren: Jutta Mester-Camara erkrankte während der Reise durch Guinea selbst an Malaria und überlebte die Krankheit nur knapp.

Jutta Mester-Camara zeigt Fotos

Ein weiteres Problem ist die Bildung. Auf unsere Frage, wie alt die Kinder sind, die wir zum Fluss begleitet hatten, konnte uns niemand eine Antwort geben. Die meisten Bewohner Massarankissidous können nicht rechnen, lesen oder schreiben. Die Kinder haben keine Chance diese Fähigkeiten zu erlernen, um später einmal mehr aus ihrem Leben zu machen. Seit über einem Jahr gibt es keinen Schulunterricht. Das Dorf kann sich aktuell keine Lehrerin mehr leisten. Und im Austausch gegen die vor Ort angebauten Nahrungsmittel und eine Unterkunft allein, will auch keine neue Lehrerin im Dorf arbeiten.

Geld ist ohnehin ein grundlegendes Problem in Massarankissidou. Denn die geringen landwirtschaftlichen Erträge reichen oft nur für die Selbstversorgung aus. Was übrig bleibt, versuchen die Frauen und Kinder in der umliegenden Region zu verkaufen. Die Ware müssen sie aufgrund der katastrophalen Straßenverhältnisse in weiten Fußmärschen tragen.

Uns fiel nicht zuletzt der geringe Anteil an jungen Männern auf: Sie leben größtenteils gar nicht mehr im Dorf und versuchen in den umliegenden Diamantminen oder anderweitig Geld aufzutreiben. Von einem familiären Zusammenleben kann in Massarankissidou also ebenso nicht die Rede sein.

Ein Rundgang durch das Dorf

Wir haben uns während unseres Besuchs einen Überblick im Dorf verschafft. Der Bürgermeister Bangali Camara führte uns durch Massarankissidou und zeigte uns, woran die Gemeinschaft aktuell arbeitet. Dabei waren wir beeindruckt von dem Einsatz und Improvisationsgeschick, mit denen sich die Dorfbewohner selbst helfen. Die Menschen in Massarankissidou sind alles andere als untätig und versuchen ihre Lebenssituation mit den ihnen zur Verfügung stehen Mitteln zu verbessern. Aus einem Motor haben sie beispielsweise eine Lehmziegelpresse gebaut oder eine Autobatterie im Haus des Bürgermeisters zu einer Ladestation umfunktioniert.

Die Lehmziegelpresse in Massarankissidou
Ladestation im Haus des Bürgermeisters

Ganz Massarankissidou möchte, dass die Kinder Schulbildung bekommen. Den Bewohnern ist klar, dass dies die einzige Chance für den Nachwuchs auf ein besseres Leben ist. Mithilfe der Lehmziegelpresse haben die Dorfbewohner sogar ein Schulgebäude errichtet. Es steht jedoch leer, da es keine Lehrerin gibt. Und was sollten die Dorfbewohner ihren Kinder dort schon selbst beibringen? Vielleicht wie man Kaffee anbaut?

Das Schulgebäude in Massarankissidou

Bemerkenswert waren ebenso die medizinischen Gebäude. Die Gemeinde hat eine eigene Krankenstation errichtet und baut aus hygienischen Gründen eine weitere, etwas außerhalb des Dorfes. In dem aktuell genutzten Gebäude lagern die wenigen Medikamente und Hilfsmittel, die der Gemeinschaft zur Verfügung stehen.

Bangali Camara zeigt uns die Krankenstation.

Eine Nachricht an die Welt

Während unseres Aufenthalts im Dorf kam die Idee auf, den Bürgermeister zu filmen. Er soll selbst Stellung zu den Problemen in Massarankissidou nehmen und die wichtigsten Punkte nennen, bei denen das Dorf Unterstützung benötigt.

Vorbereitungen für den Film des Bürgermeisters

Bangali Camara war von unserem Vorhaben begeistert. Denn ein Film, den wir später in Guinea und Europa zeigen, würde ihm eine Stimme verleihen und endlich auf die humanitären Probleme in seinem Dorf aufmerksam machen. Mit einem improvisierten Stativ und einer Kompaktkamera, haben wir Bangali auf dem Dorfplatz gefilmt.

Nach zwei Tagen Aufenthalt und viel Arbeit sind wir unsere Rückreise angetreten. Auf die erneute Motorradfahrt freute sich dabei niemand. Wir verließen das Dorf mit gemischten Gefühlen – und mit einigen feuchten Augen sowie einer Schar jubelnder Kinder, die uns zum Abschied hinterherrannte.

Wir laufen zurück zu den Motorrädern

Der Besuch in Massarankissidou hat bei unserer Reisegruppe einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Einerseits waren wir entsetzt über die Bedingungen, unter denen die Bewohner leben, und andererseits waren wir beeindruckt von der Freundlichkeit, Offenheit und nicht zuletzt von dem Erfindungsreichtum und Improvisationsgeist der Dorfgemeinschaft. Nach der Reise war allen Teilnehmern klar: Wir wollen Massarankissidou unterstützen! Es kann nämlich nicht sein, dass diese Menschen ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Medizin, ohne Zugang zu Schulbildung und mit einem katastrophalen Anschluss an die restliche Welt leben müssen.

Wir machen uns für Massarankissidou stark – machen Sie mit!

Massarankissidou steht als Symbol für die gravierenden humanitären Probleme, die genauso in vielen weiteren Dörfern Waldguineas bestehen. Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Sie sind herzlich dazu eingeladen, uns bei unserer Entwicklungsarbeit zu unterstützen. Mit einer Spende sorgen Sie dafür, dass wir unser Wasserprojekt und viele weitere Maßnahmen umsetzen können.